Private Unfallversicherung und Alkohol

Sehr viele Menschen haben eine private Unfallversicherung. Inhalt des Versicherungsvertrages ist in der Regel, dass im Falle eines unfallbedingten Dauerschadens eine hohe Summe gezahlt wird, manche Verträge sehen auch die Zahlung einer feststehenden Rente ab einem bestimmten Grad der Invalidität vor.

Die private Unfallversicherung hat – anders als die gesetzliche – den Charme, dass ihre Leistungen, sofern der Unfall durch eine dritte Person verursacht wurde, auf die Leistungen eines Haftpflichtversicherers nicht anrechenbar sind. Dies bedeutet, dass man zusätzlich zum Schadenersatz noch eine weitere Versicherungsleistung obendrauf bekommt.

Um allerdings in den Genuss einer Unfallversicherungsleistung zu gelangen, sind einige Hürden zu nehmen. Zum einen muss die Invalidität durch den Unfall verursacht und binnen eines Jahres ab Unfall eingetreten sein. Die wiederum muss ärztlicherseits (bei den meisten Versicherungen) binnen 15 Monaten ab Unfall festgestellt sein. Oft hat die Versicherung dann noch ein Prüfungsrecht nach drei Jahren, ob die Invalidität immer noch besteht oder sich verändert hat, kurzum, wie bei allen Versicherungen reicht der Umstand, einen Unfall gehabt zu haben, bei weitem nicht aus, um an die Versicherungsleistung zu kommen. Vielmehr sind eine Vielzahl von Hürden zu nehmen bevor die Versicherung zahlt.

Vom Moped geweht
Eine dieser Hürden ist gerade Thema eines Prozesses vor dem Landgericht Hamburg. Der Fall ist geradezu klassisch: Nach Alkoholkonsum am Vorabend steigt der Versicherte gegen Mittag auf sein Moped, um etwas zu erledigen. Es ist sehr windig und die Strecke ist kurvenreich (später stellt sich heraus, dass es orkanartige Windböen gab). Er kommt von der Straße ab, stürzt und verletzt sich schwer an der Wirbelsäule mit der Folge einer dauerhaften Querschnittlähmung. Im Krankenhaus wird der Alkohol im Blut bemerkt, eine belastbare Blutentnahme nach kriminalistischen Maßstäben fand jedoch erst
nach mehreren Notoperationen statt.

Nunmehr wirft die Versicherung ihrem Versicherungsnehmer und Beitragszahler vor, dass er nur deshalb von der Straße abgekommen sei, da er immer noch Alkohol im Blut hatte. Auch sei der Unfall bei einer vorsätzlichen Straftat passiert. Der Versicherungsnehmer wiederum trägt vor, Grund für den Sturz sei alleinig
eine Windböe, auch sei er absolut fahrtüchtig gewesen.

Die Versicherung beruft sich hier auf § 5.1 und 5.2 AUB (Allgemeine Unfallversicherungsbedingungen). 5.1 lautet: „Ausgeschlossene Unfälle“
Kein Versicherungsschutz besteht für folgende Unfälle: 5.1.1 Unfälle der versicherten Person durch Bewusstseinsstörungen sowie durch Schlaganfälle, epileptische Anfälle oder andere Krampfanfälle, die den ganzen Körper der versicherten Person ergreifen. Eine Bewusstseinsstörung liegt vor, wenn die versicherte Person in ihrer Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit so beeinträchtigt ist, dass sie den Anforderungen der konkreten Gefahrenlage nicht mehr gewachsen ist.

Ursachen für die Bewusstseinsstörung können sein:
• eine gesundheitliche Beeinträchtigung,
• die Einnahme von Medikamenten,
• Alkoholkonsum,
• Konsum von Drogen oder sonstigen Mitteln, die das Bewusstsein beeinträchtigen.“

Nunmehr trägt die Versicherung vor, dass der Versicherte immer noch betrunken gewesen sei. Ein Rückrechungsgutachten habe einen Promillewert von nahezu als 1,1 zum Unfallzeitpunkt ergeben, so dass eine andere Ursache als der Alkohol für den Unfall ausgeschlossen sei.

Dem tritt der Versicherte entgegen. Entscheidend ist das Wörtchen „durch“ in den AUB. So sei der Unfall gerade nicht durch den Alkoholkonsum, sondern durch die Windböe entstanden und wäre auch einem nüchternen Fahrer passiert.

Das Gericht tendiert dazu, der Auffassung des Versicherten zu folgen. Beweisbelastet für einen Unfall durch Bewusstseinsstörung sei zunächst die Versicherung, da dies eine für sie günstige Tatsache sei. Zwar, so das Gericht, spräche der Beweis des ersten Anscheins (für Lateiner: der „prima facie“ Beweis) tatsächlich dafür, dass der Alkohol unfallursächlich war, war doch ein relativ hoher Promillegehalt nachweisbar. Allerdings könne der Versicherte den Anscheinsbeweis erschüttern, wenn er den Nachweis erbringen könne, dass es an diesem Tag auf seiner Fahrtstrecke Windböen gab, die auch einen nüchternen Fahrer vom Weg abgebracht hätten. Gelingt dieser Nachweis,
liege die Beweislast wieder beim Versicherer, so das Gericht. Diese Auffassung trifft hier absolut zu. Anders als viele Versicherungen denken bzw. denken wollen, reicht es nicht aus, zu beweisen, dass der Verunfallte im Unfallzeitpunkt alkoholisiert war. Vielmehr müssen sie auch nachweisen können, dass der Unfall durch den Alkohol verursacht wurde.

Auch der Einwand der vorsätzlichen Straftat (§ 5.2 AUB) greift hier nicht. Trunkenheitsdelikte werden so gut wie immer fahrlässig begangen, da kaum ein Betrunkener weiß, dass er so betrunken ist, dass er nicht mehr fahren kann. Alle betrunkenen Autofahrer, die der Autor in seiner nunmehr bald 15 jährigen Tätigkeit als Verkehrsrechtler vertreten hat, hielten sich für absolut in der Lage, ein Auto zu lenken. Aber gerade das Bewusstsein dafür, nicht mehr fahren zu können, wäre die Voraussetzungen für eine vorsätzliche Trunkenheitsfahrt. Das Urteil bleibt abzuwarten.

Weitere Informationen können wie immer beim Verfasser unter info@querschnittlaehmung.net in anonymisierter Form angefordert werden. Weitere Beiträge auf www.querschnittlaehmung.net. Der Rechtsanwalt und Fachanwalt für
Verkehrsrecht Oliver Negele, Ansprechpartner der AG Recht der FGQ (Fördergemeinschaft der Querschnittgelähmten), bearbeitet derzeit ca. 30 Fälle aus dem Bereich Großpersonenschaden im Jahr.