Zur Verjährung von Schadensersatzansprüchen

Ein vielfach unterschätztes Problem im Bereich der Regulierung von Schadensersatzansprüchen Querschnittgelähmter ist die Verjährung. Die Verjährung ist eine sogenannte Einrede, die, wenn erhoben, die Durchsetzung eines an und für sich bestehenden Anspruchs verhindert. Dies bedeutet, dass ein Haftplichtversicherer sich unter bestimmten Voraussetzungen von seiner Regulierungspflicht dadurch befreien kann, dass er sich darauf beruft, dass die Forderung verjährt sei.

Grundsätzlich ist es so, dass im Schadensersatzrecht die meisten Ansprüche binnen drei Jahren ab Beginn des auf das Schadensereignis folgenden Jahres verjähren. Die Verjährung beginnt regelmäßig dann zu laufen, wenn „Ross und Reiter“ bekannt sind, nämlich die Tatsache dass ein Unfall stattfand, wer der Unfallverursacher ist und dass bei dem Unfall ein Schaden entstanden ist. Dies bedeutet, dass Schadensersatzansprüche aus einem Unfall der beispielsweise am 22.06.2012 passiert
ist (ohne Fahrerflucht), am 31.12.2015 verjähren.

Die Verjährung kann nur dann abgewendet werden, wenn die Verjährungsfrist gehemmt oder gänzlich unterbrochen wird. Eine Hemmung tritt entweder bei Verhandlungen oder bei Klageerhebung ein. Allerdings ist es so, dass lediglich die Teile einer Forderung gehemmt werden, über die tatsächlich verhandelt wird bzw. die tatsächlich eingeklagt werden. Dies bedeutet: Werden einzelne Teile vergessen, so können diese trotz Verhandlungen verjähren.

Verschiedene Fristen
Daher empfiehlt es sich immer, von Anfang an darauf zu drängen, dass die gegnerische Versicherung die Haftung dem Grunde nach anerkennt. Durch dieses Anerkenntnis beginnt die Verjährung erneut zu laufen. Noch besser ist es, wenn die Anerkennung mit „der Wirkung eines rechtskräftigen Feststellungsurteils“ anerkannt wird. Anders als normale Forderung verjähren Forderungen die rechtskräftig festgestellt wurden, erst nach Ablauf von 30 Jahren. Aber auch hier aufgepasst: Ab diesem Zeitpunkt – also der Haftungserklärung dem Grunde nach – entstehende Forderungen, z.B. monatliche Zahlungen für Pflege und Verdienstausfall verjähren dennoch binnen drei Jahren zum Ende des jeweiligen Jahres.

Interessant ist jedoch folgender Spezialfall, den der Bundesgerichtshof bereits mehrfach zu entscheiden hatte, teilweise mit unterschiedlichen Ergebnissen. Manchmal zeigen sich die tatsächlichen Folgen eines Unfalls erst nach Jahren, und damit deutlich nach dem Ablauf der Verjährungsfrist. Oft ist es so, dass der Betroffene zum Unfallzeitpunkt diese Spätfolge gar nicht bedacht hat.

Dennoch kann sich der Betroffene in aller Regel hier nicht darauf berufen, dass er von der Möglichkeit einer Spätfolge nicht gewusst hätte und somit die Verjährungsfrist nicht zu laufen beginnen konnte. Denn er reicht bereits aus, so der Bundesgerichtshof, dass ein Arzt auf dem medizinischen Stand des Unfalljahres hätte wissen können, dass die nunmehr eingetretene Spätfolge möglich war. Nur in ganz besonderen Ausnahmefällen kann hier die Berufung des Schädigers auf Verjährung rechtsmissbräuchlich sein, in aller Regel greift der Verjährungseinwand durch. Ein Ausnahmefall ist beispielsweise darin gesehen worden, dass leichteste Verletzungen urplötzlich viele Jahre nach dem
Vorfall zu einer hochgradigen Querschnittlähmung geführt haben
(BGH v. 27.11.1990 – VI ZR 2/90).

Die Verjährungsfrage ist eine sehr komplexe Frage. Es empfiehlt sich daher stets, wenn mehr als drei Jahre seit dem Unfall vergangen sind, die anwaltliche Prüfung, ob Verjährung eingetreten ist oder nicht.

Spätfolgen bedenken
Daher empfiehlt es sich immer, auch bei scheinbar leichteren Verletzungen, seinen Arzt zu fragen, ob Spätfolgen zu erwarten seien. Verneint dieser dies, so sollte dies schriftlich geschehen. Irrt der Arzt nämlich, und kann man dies beweisen, so kann man im Fall der Verjährung wiederum den Arzt aufgrund falscher Beratung in Regress nehmen.

Vor allem aber gilt: Die Verjährungsfrage ist eine sehr komplexe Frage. Es empfiehlt sich
daher stets, wenn mehr als drei Jahre seit dem Unfall vergangen sind, die anwaltliche Prüfung, ob Verjährung eingetreten ist oder nicht.

Die Urteile können beim Verfasser unter info@querschnittlaehmung.net in anonymisierter Form angefordert werden. Weitere Beiträge auf www.querschnittlaehmung.net. Der Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht Oliver Negele, Ansprechpartner der AG Recht der FGQ (Fördergemeinschaft der Querschnittgelähmten), bearbeitet derzeit ca. 30 Fälle aus dem Bereich Großpersonenschaden im Jahr.